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Muhamed - ein Schicksal aus unserer Klasse

Ich bin Muhamed, ein moslemischer Flüchtling aus Bosnien.  Zur Zeit besuche ich die Klasse 9b der Hauptschule Weißenhorn. Ich bin vor ungefähr fünfeinhalb Jahren nach Deutschland ausgewandert. Grund dafür war der Krieg in Ex- Jugoslawien. Wir wohnten in Bijeljina einer Stadt, in der Serben, Moslems, Kroaten und weitere Nationalitäten zusammen gemischt wohnten. In unserer Nachbarschaft wohnten Serben, Kroaten und Moslems. Wir haben uns alle sehr gut verstanden. Wenn es ein serbisches Fest gab, wurden wir auch eingeladen und wir haben sie zu unseren Festen eingeladen. Es wurde nicht nur Hallo und Tschüss gesagt, sondern miteinander viel geredet. Bei uns Moslems gibt es kein Ostern, deswegen sind die Ostertage von damals für mich immer noch in Erinnerung. Unsere Nachbarinnen Sonja und Tanja haben mir und meiner Schwester immer zwei Ostereier geschenkt. Darauf stand immer mein Name und noch ein Bild, das sie irgendwie mit einem Zahnstocher aufgemalt haben. Alles war bestens, bis plötzlich in einigen Städten Konflikte zwischen Moslems und Serben anfingen, wobei die Serben gleich Bombenanschläge ausführten. Eines Abends in Bijelijna wurde eine moslemische Disco in die Luft gesprengt. Es starben zwei Menschen. Man wusste gleich, dass es Serben waren, alle hatten davon geredet.

Am nächsten Tag wollte ich wie gewohnt zur Schule gehen, als ich von meinen Eltern erfuhr, dass die Serben an vielen Stellen Barrikaden aufgestellt hatten, vor allem zur Innenstadt. Niemand konnte rein in die Innenstadt oder heraus. Es war also ein schulfreier Tag. Wir Kinder waren sehr froh darüber und hatten an diesem Tag draußen gespielt. Ich bin sogar mit meinem Fahrrad zu der nächsten Barrikade gefahren, die ca. 300 Meter von meinem Haus weg war. Es waren meine serbischen Nachbarn Vlatko, Ljulo, Sascha und Boschko, die diese Barrikaden aufgestellt hatten. Warum, wusste ich nicht. Es war mir auch egal, ich dachte nicht darüber nach. Es ist auch niemand in Panik ausgebrochen. Das dauerte drei Tage lang. Am dritten Tag spitzte sich die Lage zu. Die Serben hatten vom Anfang an einen Krieg geplant und hatten sich reichlich Nfoto7.jpg (20909 bytes)mit Waffen ausgerüstet. Es kamen Panzer und Soldaten in die Stadt, man hat sie überall gesehen. Sie hatten die Stadt umzingelt und niemand konnte mehr heraus. Unsere Bekannten waren auch dabei. Sie hatten Tarnanzüge angezogen und sind mit Maschinengewehren herumgefahren. Jetzt hatten alle Moslems Angst, denn es hatte ja kaum jemand ein Gewehr, um sich zu verteidigen, nur einige wenige, die sich vor dem Ausbruch welche gekauft hatten. Es wurde noch nicht geschossen oder bombardiert. Wir sind wie gewohnt zur Schule gegangen und hatten mit Serben gesprochen. Jeder hatte kapiert, was da abläuft, doch hatten sie total freundlich mit uns geredet und versucht, uns davon zu überzeugen, dass sie uns nichts tun, sondern uns vor dem kommenden Krieg schützen würden. Wir wurden auch nicht schikaniert. In den Städten war der Krieg schon längst ausgebrochen und es starben unzählige Menschen. Wir hatten noch mitbekommen, dass ein paar Bekannte dort mitgemacht hatten und dass einige von ihnen ums Leben kamen.

Der Krieg war geplant und kam Schritt für Schritt. Zum Beispiel durfte niemand mehr nach zehn Uhr das Haus verlassen. In der Schule hatten wir früher in lateinischer Schrift und in kyrillischer Schrift geschrieben. Nun durfte man nur noch kyrillisch schreiben. Wir hatten versucht, so oft wie möglich mit den Nachbarn zu reden, um ja nicht Schwierigkeiten mit ihnen zu bekommen. Es wurde immer härter für uns, denn es kamen immer mehr Soldaten in die Stadt. Ich war auch schon am Ende der dritten Klasse und für mich fingen die schlimmsten Ferien meines Lebens an. In meine Schule waren Serben aus anderen Städten eingezogen. Der Name der Schule wurde geändert. Wir hatten immer mit anderen Moslems heimlich geredet, um eine Möglichkeit, aus der Stadt zu flüchten, zu finden. Da viele Verwandte von uns in Deutschland wohnten, telefonierten wir oft mit ihnen. Doch Telefongespräche wurden vielfach abgehört. Mein Onkel versuchte in dieser Zeit uns Papiere zu schicken, so dass wir irgendwie nach Deutschland reisen könnten. Aber man brauchte auch eine Erlaubnis vom Rathaus der Stadt, um hinauszukommen und die war nicht so leicht zu bekommen. In der Nacht wurde geschossen, um uns Angst einzujagen. Es verschwanden auch Menschen in der Nacht. Wir lebten ständig in Angst und man wusste, dass es in der Nacht am gefährlichsten war. Das Haus meiner Oma war genau neben unserem und wir selbst schliefen bei meiner Oma.

Eines Nachts schauten wir aus dem Fenster und wir sahen, wie viele kleine Lämpchen sich um unser Haus bewegten. Es waren Serben, vielleicht sogar unsere Nachbarn. Ich und meine Schwester versuchten zu schlafen, doch es ging nicht. Ich überlegte, was ich tun würde, wenn sie bei uns einbrechen würden, doch auf einmal schlug dann jemand an die Türen und es machte ein so lautes Geräusch, dass mein Herz fast stehen blieb und ich meine Füße nicht mehr spürte. Ich wusste sofort, was jetzt passieren würde, denn wenn sie ins Haus kommen, ist alles vorbei. Ich aber blieb im Bett und wollte abwarten, was passiert. Ich fragte leise meine Mutter, ob sie das gehört hätte, aber sie sagte, dass sie nichts gehört hat. Ich dachte darauf, dass ich es mir nur eingebildet hätte, aber meine Schwester hatte es auch gehört. Doch trotzdem konnte ich nicht einschlafen. Am nächsten Morgen ist mein Vater einkaufen gegangen. Als er zurückkam, sagte er, wir sollten alle kommen, und er hätte uns etwas Wichtiges zu sagen. Er sagte, dass man einen unserer Bekannten, der ca. 400 Meter von uns wohnte, erschossen hätte. Im Laufe des Tages erfuhren wir die ganze Geschichte. Es waren Serben in das Haus eingebrochen und hatten die Frauen und die Tochter von Mehmet vergewaltigt und dann haben sie ihm eine Pistole in den Mund gesteckt und wollten ihm etwas auf seine Brust mit einem Messer schneiden. Als er dabei vor Angst zuckte, erschossen sie ihn kaltblütig. Die Tochter hatte vor drei Tagen ein Kind bekommen. Der Sohn von Mehmet hatte das Kind unter einem Tisch versteckt, als er bemerkte, dass man bei Ihnen eingebrochen hatte. Damit es nicht weinte, hatte er ihm seinen Daumen in den Mund gesteckt. Er hatte alles gesehen. Die Serben bemerkten ihn nicht, wer weiß was sie dann mit dem Baby gemacht hätten. Wir alle waren total geschockt darüber und meine Angst stieg weiter. Mein Vater ging nach ein paar Tagen zu unseren serbischen Nachbarn und redete mit ihnen über das, was passiert war. Er sagte, wenn sie herausbekommen würden, wer das war, würden sie die Täter aufhängen. Das waren alles Lügen.

Wir versuchten natürlich, aus der Stadt zu flüchten und beschlossen, zu unserer Oma zu fahren. Auf dem Weg zu meiner Oma kamen wir am Haus der bekannten Serben vorbei. Sie sagten, sie wüssten nicht, ob wir aus der Stadt hinaus könnten. Wir fuhren trotzdem weiter. Am Straßenende waren dann etwa 50 Soldaten, die ihre Gewehre auf uns richteten. Sie sagten, dass niemand aus der Stadt heraus dürfe. Wir erklärten, dass wir nur für ein paar Tage zu meiner Oma fahren wollten, aber sie lehnten ab. Also fuhren wir wieder zurück und unten hielten wir wieder bei den bekannten Serben und sie sagten, dass sie nichts für uns tun könnten, obwohl sie eine Funkverbindung zu den Soldaten hatten. Sie funkten noch einmal, nur um uns für blöde zu halten und sie sagten, dass nicht mal ein Vogel aus der Stadt rauskommen könnte. Also fuhren wir voller Enttäuschung wieder nach Hause. Die Strecke war nicht sehr weit bis zu uns, aber trotzdem gingen uns viele Dinge durch den Kopf, z.B. wollten unsere Nachbarn nicht, dass wir durchgelassen werden? Was ist der Grund dafür? Diese Unsicherheit weckte in uns schlimme Befürchtungen. Es war wahrscheinlich dieses Erlebnis der Hilflosigkeit, das uns sagte: „Versteckt euch, ihr werdet von euren Mitmenschen umgebracht." Am gleichen Tag versuchten wir, mit anderen Moslems aber auch Kroaten zu reden. Wir überlegten, wo wir uns verstecken könnten. Die bedrohlichen Vorfälle hatten sich schnell bei allen Moslems und Kroaten herumgesprochen. Wir konnten uns nicht alle auf einmal treffen, das war inzwischen zu gefährlich, vielleicht hätten sie uns umgebracht. An diesem Abend schossen sie wie nie zuvor. Draußen fielen einige Granaten und wir dachten, sie explodieren im Garten. Am nächsten Morgen ging mein Vater hinaus, um nachzusehen, ob sein Lastwagen noch ganz wäre. Nach ein paar Minuten kam er ganz geschockt wieder herein und sagte, dass in der Nähe von unserem Haus eine tote Frau lag. Ich traute mich nicht hinauszugehen, denn es würde mir nur noch mehr Angst einjagen. Mit Sicherheit wollte sie irgendwie flüchten. An diesem Tag baute unser Vater ein Versteck im Keller. Er hatte unser Brennholz aufgestapelt und dabei einen Raum freigelassen, in dem wir uns verstecken konnten und den wir von innen wieder verschließen konnten.

Wir schliefen auch an diesem Abend im Keller. Draußen schoss es gewaltig, aber jetzt hatten wir noch mehr Angst, dass sie hereinkommen und uns im Versteck entdecken könnten. Irgendwann nach Mitternacht schlug auf einmal eine Bombe in unserem Garten ein. Es war wie ein Erdbeben und die Wände wackelten und in meinen Ohren brummte es. Am Morgen gingen wir raus um nachzusehen, was passiert war. Die Garage meiner Oma, die ja uns allen gehörte, war fast dem Erdboden gleichgemacht.

Ein paar Tage später sind wir dann umgezogen und zusammen mit ca. 150 Moslems, Albanern und Kroaten in einem großen Keller bei einer Frau untergekommen. Man fühlte sich hier irgendwie sicherer. Ich betete die ganze Zeit, denn ich war ein gläubiger Moslem. Eine sehr alte, weißhaarige Frau betete für uns alle. Es hatten sogar ein paar Männer Gewehre dabei und standen Wache. Mit uns war Stojana. Stojana war eine serbische Frau die mit einem moslemischen Mann verheiratet war. Sie beide hatten vor kurzer Zeit einen Lebensmittelladen eröffnet und da ihr Lager nicht sehr weit von dem Keller entfernt war, brachten sie für uns Essen und Süßigkeiten. Sie hatten auch Angst, denn sie wäre genauso erschossen worden wie wir, wenn man uns entdeckt hätte. Der Keller war sehr groß und wir mussten nicht hungern.

Wir waren zwei Tage im Keller und es fielen fast unaufhörlich Bomben und Granaten und draußen peitschten Schüsse. Es war ein Gefühl, als ob sie uns gleich entdecken würden. Ich dachte die ganze Zeit in mir: „Bitte findet uns nicht, ich bin zu klein zum Sterben." Ich wollte nicht grausam sterben und wollte nicht ansehen, wie man meine Familie quält. Die Frauen hatten natürlich mehr Angst als die Männer, denn Vergewaltigungen gibt es immer im Krieg. Eine Frau blieb ruhig, meine taube Tante. Sie war auch mit uns im Keller. Sie konnte zum Glück nicht diese explodierenden Geräusche hören. Wir waren schon den dritten Tag im Keller und an diesem Abend erfuhren wir im Radio, dass alle die Waffen besitzen, sie so schnell wie möglich abgegeben müssten, denn wer eine Waffe besitze, werde gleich erschossen. Sogar vor dem Krieg hatte man Leute deswegen schon angezeigt. Natürlich haben dann alle, die eine Waffe besaßen, sie abgegeben.

Plötzlich war eine seltsame Stille im Raum, als ob sie uns sagen wollte, da stimmt etwas nicht. Es fiel einigen auf, dass der 24- jährige Salko zur Ablösung seiner Wachschicht nicht kam. Unser Unterschlupf, in dem wir versteckt waren, war ein Keller, aber auch zugleich eine Garage. Auf einmal ging die Tür langsam auf. Salko machte die Tür auf und alle schauten hin. Ich saß ca. 5 Meter von ihm entfernt. Mir fiel gleich auf, dass er keine Waffe hatte. Er sah wie tot aus, kippte fast um. Er sprach mit leisem Ton: "Meine Familie soll herauskommen, man wird unser Haus in die Luft sprengen!" Ich habe nicht sofort bemerkt, was da abläuft. Dann fiel mir auf, dass er immer nach draußen schaute und halb drinnen und halb draußen war. Es standen einige Männer vor ihm, die wir nicht sehen konnten und sie richteten Gewehre auf ihn. Seine Schwester, Mutter und sein Bruder gingen hinaus, ohne einen Ton zu sagen. Die Tür verschloss sich hinter ihnen. Es war eine Totenstille für ein paar Sekunden. Die ersten Frauen begannen zu weinen. Mir liefen die Tränen von alleine. Denn es gab nun drei Probleme:

1. Sie wussten, wo unser Versteck ist.

2. Das Haus von den Weggeführten war nur 7 Häuser weg von uns.

3. Mein Vater war auch draußen.

In der folgenden Zeit stellte ich mir nur das Haus vor, wie es explodiert. Ich wartete auf den Knall. Als nach einiger Zeit nichts passierte, befürchtete jeder das Schlimmste. Sie haben sich wahrscheinlich entschlossen, das Haus nicht in die Luft zu sprengen, sondern sie gleich umzulegen. Schüsse hörte man ohnehin die ganze Zeit, also konnten wir nicht wissen, ob man sie tatsächlich erschoss. Am nächsten Tag sind wir natürlich alle aus dem Keller heraus. Nun sah ich meinen Vater, wie er auch zum Keller kam. Ich war froh, ihn wiederzusehen und bin ihm in die Arme gerannt. Warum mein Vater die 3 Tage nicht daheim schlief, wusste ich nicht. 3 Tage, in denen so viel passierte, dass mein Vater uns den halben Tag davon erzählte.Nfoto8.jpg (11229 bytes) Erstens einmal wurden in der Innenstadt, wo es am gefährlichsten war, 70 Menschen entdeckt. Sie hatten sich auch im Keller versteckt. Man hatte sie alle erschossen und es wurden viele ohne Ringfinger und Ohrläppchen gefunden. Die Serben wollten die Ohr- und Fingerringe nicht herunterziehen, sondern hatten es schnell mit dem Messer gemacht. Er hatte auch mitbekommen, dass man einen Mann nach sieben Tagen tot entdeckt hatte. Ihm wurden Nägel in die Hände und Füße gehämmert und die Fußsohlen verbrannt. In der Innenstadt waren nur noch Serben, die alle Läden, Restaurants, Cafés und Diskos unter ihrer Macht nahmen. Vor allem die kleinen Restaurants gehörten meistens den Albanern. Sie verschwanden alle. Man hat sogar herausgefunden, dass sie die Leichen zerstückelt und ins Wasser geworfen hatten. Am Tag war es nicht mehr so gefährlich, aber in der Nacht brachten sie die Menschen um. Ein paar Tage wurde geschossen, weil eine riesige Hochzeit stattgefunden hatte. Diese Menschen waren nicht mehr normal. Es war Krieg und die Serben feierten eine Hochzeit. Sie waren so mächtig, dass man ihnen nichts mehr anhaben konnte. Am Morgen danach ging ich mit meinen Kumpels zu dem Ort, an dem die Hochzeit stattgefunden hatte und wir fanden eine ganze Tüte leerer Patronen. Es waren sogar ein paar unbenutzte dabei, die ich meinem Vater gab.

Mein Vater versuchte eines Tages die Erlaubnis zu bekommen, aus der Stadt herauszukommen. Da ja unser Nachbar Branko einer der mächtigsten Männer in der Stadt war, suchte ihn mein Vater im Rathaus auf. Er fragte ihn, warum er ausreisen wolle. Mein Vater sagte, dass er mit uns einen seiner Bekannten in Serbien besuchen wolle. Als er wieder ging, schoss jemand auf die Leute, die vor dem Rathaus standen. Mein Vater rannte schnell weg. Ihm passierte nichts. An diesem Tag ging mein Vater nochmals zu Branko und redete mit ihm darüber. Der tat so, als ob er nichts mitbekommen hätte. Das Gespräch verlängerte sich. Die Nichte von Branko bemerkte das Erscheinen meines Vaters nicht, weil sie im Haus gewesen war. Als sie aus dem Haus herauskam, hielt sie ein seltsam gebogenes Schwert in der Hand und sagte: „Die Scheiß Bulipe (Moslems) ich schlachte sie alle ab!" Nachdem sie das sagte, sah sie meinen Vater und rannte ins Haus. Branko lachte nur und sagte: „Sie spaßt ja immer." Als mein Vater nach Hause kam, sagte er: „Hier müssen wir so schnell wie möglich verschwinden." Wir hatten uns entschlossen, mit dem Bus nach Serbien zu fliehen. Wir packten unsere Sachen und warteten auf die beste Gelegenheit. Wir sagten es niemand außer unseren moslemischen Bekannten Topcic, Raschid, Melih, Bulgaric, Musafera, Huso und meiner Oma. Musafera und Huso beschlossen, mit uns zu fliehen.

Unerwartet kam die UNO in die Stadt. Ich freute mich, sie zu sehen. Es waren auch Neger dabei. Ich hatte zuvor selten Neger gesehen, so gut wie nie. Sie hatten uns Essen ausgeteilt und Süßigkeiten und seltsame Suppen. Wir mussten auch vorher nicht hungern, aber ich freute mich, einmal etwas total anderes zu essen. Es schmeckte auch gut. Sie blieben für eine Weile da und fuhren dann weiter. Nachdem sie gegangen waren, ging es wieder los mit der Schießerei.

Für uns kam der letzte Abend in Bosnien. Wir packten unsere Sachen, meine Mutter arbeitete im Garten um ja nicht aufzufallen und auch wir benahmen uns total unauffällig. Wir dachten auch, dass wir wieder nach ein paar Monaten zurückkommen, wenn es klappt. Am frühen Morgen um sechs Uhr fuhren wir mit Topcic los und mit uns fuhr Bulgaric. Meine Oma wollte ein paar Stunden später mit ein paar anderen Bekannten wegfahren. Die Familie Topcic wollte nicht mitfahren. Sie hatten uns nur zum Bahnhof hingefahren.

Am Bahnhof stiegen wir gleich in den Bus (ich, meine Schwester, Eltern, Muzafera, Huso). Wir hatten Angst, dass uns ja niemand von den bekannten Serben sieht. Im Bus waren wir total aufgeregt. Ich schaute oft aus dem Fenster, um ganz sicher zu sein, ob uns nicht jemand beobachtet hatte. Außerdem war das, was wir gemacht hatten, ein großes Risiko. Die Wahrscheinlichkeit , dass sie uns an der Grenze (eigentlich ist es keine Grenze, normalerweise war es nur eine Brücke, die Bosnien und Serbien verbindet) ohne Genehmigung durchlassen, war sehr klein. Aber unser Vater war der Meinung, dass wir unbedingt gehen müssten. Ich wusste nicht, warum er unbedingt darauf bestand. Ich war aufgeregt, weil ich Angst hatte, dass sie uns nicht durchlassen, aber auch deshalb, weil ich endlich nach Deutschland kommen würde. Ich betete die ganze Zeit alle Gebete, die ich kannte. Nicht nur ich betete, sondern die ganze Familie. Doch auf einmal kam ein serbischer Nachbar in den Bus. Wir hatten sofort gedacht, dass er uns meldet. Aber er war sehr freundlich und bei allen beliebt, vor allem seine Kochkünste konnten selbst von den meisten Frauen nicht überboten werden. Er setze sich natürlich neben uns und fragte, wohin wir so früh wollen. Wir erzählten ihm wieder die gleiche Story, dass wir einen Bekannten in Serbien besuchen wollten. Wir redeten dann weiter mit ihm. Eine kurze Zeit später kamen zwei serbische Soldaten in den Bus. Sie sahen sehr gefährlich aus. Einer hatte einen Verband am Arm und der andere einen Vollbart und lange Haare. Jetzt hatten wir auch Angst vor ihnen. Ich dachte, sie würden uns später im Bus kontrollieren. Der einzige Gedanke an diesen Tag war für Gott. Ich betete und betete. Der Busfahrer war auch ein Serbe, aber mein Vater kannte ihn. Er war der einzige, der uns helfen konnte, rauszukommen aus Bijeljina. Wir fuhren dann los. Es dauerte eine Weile, bis wir an der Brücke ankamen. Ein paar km vor der Brücke war die Polizei gestanden und wir wurden angehalten. Es kamen Soldaten in den Bus und sagten: „Frauen und Kinder können weiter, Männer brauchen eine Erlaubnis". Mein Vater und Huso hatten als einzige im Bus keine. Also mussten sie raus, ihnen folgte gleich unser Nachbar. Ich schaute aus dem Fenster und versuchte mitzubekommen, was sie jetzt sagen. Ich hatte ein komisches Gefühl in mir und auf einmal sprang ich auf und ging mit hinaus. Ich stand vor der Tür und schaute sie an. Mein Nachbar setzte sich total für uns ein. Er sagte: „Jetzt lasst sie durch, sie wollen nur einen Bekannten besuchen". Der Busfahrer stand auch draußen und versuchte irgendwie, sie zu überreden, dass wir weiterfahren konnten. Zum Glück kannte mein Vater den Polizisten. Er sagte schließlich: „Von mir aus könnt ihr ja weiterfahren, nur wenn ihr da vorne nicht durchkommt, geht es euch schlecht." Also fuhren wir weiter. Den halben Weg hatten wir schon hinter uns und ich hatte weniger Angst, weil die zwei Soldaten ausgestiegen waren. Wir waren in sicheren Händen, weil der Busfahrer schon viele über die Grenze gebracht hatte. Dann war es soweit, wir waren an der Grenze. Vor der Brücke standen hunderte von Soldaten und haufenweise Waffen, Panzer und Lastwagen. Ich zitterte und hatte weiche Knie. Sie schauten uns an und ich bekam Angst, dass mir die Zähne klapperten. Der Busfahrer stieg aus dem Bus aus. Vom Bus aus konnte ich sehen, dass er sich mit ein paar Soldaten unterhielt. Nach ein oder zwei Minuten kam er wieder herein und wir fuhren los. Ich dachte, jetzt müssen wir sicher irgendwo hinfahren und sie durchsuchen uns. Doch alles war bestens. Die Soldaten winkten uns zu. Als ich das sah, winkte ich freundlich zurück. Ich hatte es nicht fassen können, wir waren durch. Wir fuhren dann auf der Brücke weiter. Am Ende der Brücke standen wieder Soldaten.

Ich dachte, jetzt durchsuchen uns die, aber der Busfahrer fuhr einfach weiter. Meine Mutter sagte, wir sind durch. Nfoto9.jpg (14867 bytes)Ich weiß nicht, was ich in diesem Moment gefühlt hatte und in diesem Moment vergaß ich alles. Ich sah nur noch Glück vor den Augen. Bei der Fahrt schaute ich oft aus dem Fenster und dachte, dass wir so davongekommen sind, ist unglaublich. Es wurde niemand von meiner Familie verletzt oder getötet. Ich wusste nicht, was wir jetzt in Serbien machen würden. Ich fragte meine Mutter, wohin die Reise ginge. Sie sagte, dass wir nach Sobotica fahren und dort in ein Flüchtlingslager gingen. Meine Mutter sagte auch, dass wir dort unsere Pässe bekämen. Wir fuhren ein paar Stunden, bis wir endlich ankamen. Es standen viele Busse vor dem Lager. Es war ein großer, schöner, umzäunter Park. Aber am Eingang war es dann ziemlich hart. Es standen Polizisten vor dem Tor und ein älterer Mann mit einem Megaphon erklärte uns ein bisschen, was wir dort tun durften und was nicht. Zum Beispiel durften wir nicht heraus aus dem Lager. Die Männer mussten draußen schlafen, weil es innen nicht so viele Zelte gab. Es dauerte eine Weile, bis wir dran waren mit der Durchsuchung. Sie durchsuchten all unser Gepäck und uns selbst nach Waffen. Wir sind dann hineingegangen. Es wurde ein Raum für uns alle zur Verfügung gestellt, in den wir unser Gepäck hineinstellen konnten. Es war wie in einem Gefängnis. Man konnte nicht heraus. Man bekam Essen, das nicht schlecht schmeckte. Aber es war schön in diesem Lager. Wir hatten sehr viel Platz, nur zum Schlafen war es ziemlich eng. Es gab nicht genügend Decken und Matratzen. Es war die erste Nacht seit Monaten, in der ich richtig gut geschlafen hatte. Aber ich machte mir Sorgen um meinen Vater, denn der musste draußen schlafen und wer weiß, was sie mit ihm anstellen konnten. Nach einiger Zeit wussten wir auch, warum die Männer draußen schlafen mussten. Sie hatten Listen, in denen verdächtige Namen standen und wenn einer auf der Liste stand, wurde er unauffällig mitgenommen. Meistens waren es Namen von Moslems, die zur Partei SDA gehörten und Kroaten die der Partei HDZ angehörten. Täglich kamen Busse mit neuen Flüchtlingen und es fuhren auch welche ab...

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